Inselträume und Luftschlösser - Henry Mühling

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Inselträume und Luftschlösser

Reiseberichte und Geschichten

Wer hat noch nicht davon geträumt? Im Paradies zu leben, dort zu arbeiten und immer Urlaub zu haben.
Wer die Mauern des AI-Hotels schon einmal verlassen hat, konnte vielleicht schon Menschen kennen lernen, die diesen Schritt gewagt haben.
Und je mehr man von diesen sogenannten "Residenten" kennen lernt, desto interessanter und unterschiedlicher sind die Erfahrungen und Meinungen zu diesem Thema.
Aber auch die Residenten sind so unterschiedlich, wie die Meinungen und Erfahrungen!
Da gibt es die von Hause aus vermögenden, die den Aufenthalt wie einen Langzeiturlaub gestalten können. Keine Sorgen und immer genügend Geld auf dem Konto. Der Nachschub kommt dann aus diversen, sprudelnden Quellen. Meist Immobilien, Devisengeschäfte, oder dergleichen. Menschen, die schon von Geburt an auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Sie haben jeden Tag Urlaub, leben in wunderschönen Villen und gehen jeden Tag in ein anderes Restaurant, um sich dort verwöhnen zu lassen.
Oder die Menschen, die in Europa am untern Ende der sozialen Leiter gestanden haben. Geringverdiener und Menschen, die auf soziale Leistungen angewiesen waren.
Irgendwie haben sie es geschafft, auf Samaná zu landen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Doch glaubt mir, das Leben im Paradies kostet auch Geld. Hier gibt es nichts umsonst. Auch wenn am Wegesrand Mangobäume, Orangenbäume, Kakao- oder Limettenbäume darauf warten, das deren Früchte gepflückt werden.
Diese Früchte gehören irgendwem. Oder der Dorfgemeinschaft.
Wie auch immer, wer hier einigermaßen leben will, muss Geld haben, oder Geld verdienen.
Und wer Geld verdienen muss, sollte nicht denken, das es einfacher wird, wie in Europa!
5 Tage Woche mit 39 Stunden sind auf Samaná Utopie. Hier arbeitet man in der Regel 6-7 Tage die Woche und 12-14 Stunden am Tag.
Nein, den Stress und den Leistungsdruck wie in Europa kennt man nicht. Allerdings auch nicht die europäischen Stundenlöhne wie in Europa.
Sich einen kleinen Reichtum zu erarbeiten, das schaffen nur die Wenigsten. Meist reicht es nur für ein bescheidenes Leben.
Irgendwann ist mir einmal aufgefallen, das die Touristen wesentlich brauner von der Hautfarbe waren, als die dort lebenden Residenten. Also habe ich diese einmal gefragt, woher das kommt, oder ob sie vielleicht absichtlich die Sonne meiden.
Die Antwort war so einfach wie verblüffend.
Man hat als dort arbeitender Mensch gar keine Zeit, sich zu sonnen. Die Sonne geht das ganze Jahr über, um 07:00Uhr auf und gegen 19:00Uhr wieder unter. Während der Woche muss da jeder berufstätige Mensch arbeiten. Und wer das Glück hat, am Sonntag Freizeit zu haben, verbringt diese Zeit fast nie am Strand. Da müssen dann andere Dinge des Lebens erledigt werden. Viele der Residenten waren in den letzten Monaten keinen einzigen Tag am Strand!
Und das ganz sicher nicht, weil sie nicht wissen, wo sich dieser befindet.
Der nächste zu erwähnende Punkt ist das soziale Netz, wie wir es aus Europa her kennen.
Dieses ist schnell erklärt. Es ist nämlich nicht vorhanden.
Wer arbeitslos wird, muss schauen, woher er Geld bekommt. Viele Möglichkeiten gibt es nicht. Meist bleibt nur betteln oder die kriminelle Schiene.
Es gibt viele Menschen, die am Existenzminimum leben müssen, weil sie keine andere Möglichkeit haben. Und wer einmal auf diese Ebene gelangt ist, hat es doppelt schwer, sich aus diesem Sumpf zu befreien.
Meist waren es unvorhersehbare Ereignisse, die in die Armut geführt haben. Krankheit, Unfall, Trennung vom Lebenspartner, oder Ähnliches.
Und fast immer gibt es dann einen Begleiter, der da Alkohol heißt.
Wer sich absichern möchte, dem stehen natürlich Versicherungen zur Verfügung. Meist sehr teuer und wenn es zum Schadensfall kommt, hat man es meist schwer, an seine vorher großspurig versprochenen Leistungen zu kommen.
Darum gibt es viele Residenten, die in Europa noch immer in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind und dort einen Mindestbeitrag leisten. Immer ein Rückflugticket im Tresor.
Aber auch das muss ja irgendwie bezahlt werden. Darum heißt es arbeiten, arbeiten.
Fragt doch einmal einen Residenten, wann er das letzte Mal Urlaub gemacht hat. Die Antwort ist meist ein lautes Lachen. 30 Tage bezahlter Jahresurlaub? Nein, so etwas gibt es auf Samaná nicht.
Wer Urlaub machen möchte, bekommt meist nur wenige Tage Geld.
Mit anderen Worten: Bezahlter Urlaub ist rar und selten.
Vor allem die Hotels beuteln ihre Mitarbeiter ordentlich aus. Zumindest aus unserer europäischer Sicht.
Geringer Stundenlohn, lange Arbeitszeiten, geringe oder keine Sozialleistungen und die ständige Erwartung nach Präsenz. Das ist auch der Grund, warum Hotelangestellte meist mit mehreren Kollegen in einem Zimmer leben. Direkt im Hotel, meist in der Nähe der Wäscherei oder den Stromaggregaten. Dort, wo so schnell kein Urlauber hin kommt.
Wenn das Hotel nicht genügend belegt ist, werden die Mitarbeiter kurzerhand nach Hause geschickt. Immer mit der Hoffnung, bald wieder arbeiten zu können, denn Lohnfortzahlung gibt es natürlich nicht.
Interessant ist allerdings auch die Meinung von vielen Residenten: lieber viel arbeiten im Paradies, als weniger arbeiten im stressigen Europa, wo Ellenbogengesellschaft, Leistungsdruck und Reglementierung dominieren!
Auch ich habe immer das Gefühl, das Residenten auf Samaná, die dort viele Jahre als Aussteiger gelebt und gearbeitet haben, sich extrem schwer tun würden, sich in das hiesige Leben wieder einzugliedern. Zu Groß sind die Unterschiede und der Lebens-Rhythmus.
Wer trotz allem den Drang in sich hat, aus der hiesigen Gesellschaft auszusteigen und ein völlig neues Leben zu beginnen, dem gebe ich einen guten Rat. Gebt nicht sofort alles auf. Knüpft Kontakte in die Ferne und versucht, so viele Informationen wie nur möglich zu bekommen. Macht euch schlau, über Absicherungen, Rechtssystem, Kultur und Preise.
Macht erst einmal einen "Probeausstieg" von 6 Monaten und schaut, wie ihr klar kommt.
Immer mit der Sicherheit, wenn es nicht funktioniert oder es nicht eueren Vorstellungen entspricht, wieder in das sichere Nest zurück kommen zu können.
Nicht vergessen, solch ein Schritt ist ein großes Wagnis und eine riesige Veränderung im Leben eines jeden Menschen.
Alle Residenten sagen immer das Gleiche: "Wir haben viele kommen sehen. Die meisten davon sind nicht mehr da!"

Bis dann...

 
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